Leipzig (tl) – Augen auf beim Bibelkauf! Diese bittere Erfahrung musste jüngst die 22-jährige, spirituell interessierte Kristin Itus nach dem Kauf ihrer ersten Bibel machen. Entgegen anders lautenden Verkaufsversprechen sprach ihr Exemplar kein einziges Mal zu ihr.
„Mein Freundin Deborah hat mir immer wieder von ihrem Exemplar vorgeschwärmt.“ Kristin verschränkt die Arme und blickt uns grimmig an. „Ich kam mir schon fast vor wie bei einer Tupperparty. Die Bibel hier, die Bibel da. Die Bibel spricht zu uns. Wenn wir Probleme haben, hat die Bibel garantiert die passende Antwort parat. Sogar lehren soll die von sich aus.“ Kristin fährt sich durchs Haar. „Keine Ahnung wie das funktionieren soll. Da soll wohl so eine künstliche Intelligenz drin sein. Super inspiriert, äh inspirierend hörte sich das jedenfalls an. Und die Bewertungen im Online-Shop waren auch ganz gut. Daher wollte ich das interaktive Buch endlich mal persönlich ausprobieren.“
Kristin Itus greift in ihre Tasche und legt das Mängelexemplar auf den Tisch. „Hier sehen sie? Nein, ich meine, hören sie? Nichts! Stille! Kein Wort! Das Teil ist eindeutig kaputt. Aber der Online-Shop will den Mangel einfach nicht einsehen.“ Kristin schlägt die Bibel auf, flüstert hinein und hält sie sich ans Ohr. „Nichts, niente, nada. Kein einziges Wort. Erst dachte ich, die Fragen sind zu schwierig. Dann habe ich es mit ganz einfachen Fragen versucht: Welche Farbe hat Milch? Welche Farbe hat der Himmel? Wie macht die Kuh? Was ist grün und stinkt nach Fisch? Was ist 1 plus 1? Aber auch hier: Kein Wort.“
Auch das versprochene integrierte Navigationssystem stellte sich als Fake heraus. „Von wegen ‚die Bibel zeigt dir immer den richtigen Weg‘.“ Die Arme hatte sich wochenlang verfahren, weil die Bibel auch hier stumm blieb. „Ich kam ständig zu spät zur Bibelstunde. Voll peinlich!“
Nun hat Kristin genug von den falschen Versprechungen und klagt gegen den Online-Shop wegen Vortäuschung falscher Tatsachen. Unterstützt wird sie dabei von Willem Pört von der Verbraucherzentrale Mitteldeutschland. Der erfahrene Verbraucherschützer: „Wir haben bereits eine Abmahnung gegen den Online-Händler ausgesprochen, im Gegensatz zu seinen Büchern ist der ja sehr gesprächig – allerdings alles falsche Versprechungen, wie man sieht. Also hört. Bzw. eben nicht hört! Jetzt ist er natürlich abgetaucht – aber wenn Sie mich fragen: Dieses Schweigen spricht Bände!“.
Mittlerweile hat sich Kristin damit abgefunden, dass die Bibel nicht zu ihr gesprochen hat. „Und mit Deborah rede ich übrigens auch nicht mehr. Irgendwie ist es ja auch grotesk. Wenn eine Freundin heute ein Problem hat und man erst so ein antikes Buch durchlöchern muss, ist man doch irgendwie aufgeschmissen, oder? Kann es nicht einfach Regeln geben, die man auf alle Bereiche des Lebens anwenden kann? So was wie: Liebe alle, wie du dich selbst liebst. Wenn du nicht willst, dass man dir doof kommt, komm auch keinem anderen doof. Das passt doch eigentlich immer, oder? Ein Buch, in dem sowas drinsteht – das würde ich sofort kaufen!“